Videothek – Eine Reminiszenz

Videothek geschlossen - Kein Popcorn

Wer heute die neuesten Blockbuster gucken will muss nur eines machen. Den Fernseher oder Laptop einschalten und sich bei Netflix, Amazon Prime, Maxdome oder Whatchever seinen Film aussuchen und Play drücken.

Wer, wie ich, in den 90ern groß geworden ist kennt noch die Filmbeschaffung 1.0. Damals gab es noch sogenannte Videotheken (es wird gemunkelt, dass es sie immer noch gibt). Videotheken waren Orte, an denen Filme zuerst auf Magnetbändern (VHS) und später auch auf DVDs oder BluRay zur Ausleihe bereit gestellt wurden.

Das muss man sich mal vorstellen

Du musst Dir das so vorstellen. Du hast Dich auf Dein Fahrrad geschwungen und bist bei Wind und Wetter zu einer Videothek geradelt um den frisch eingetroffenen Blockbuster gegen einen Tagessatz zu entleihen. Das klingt vielleicht noch einfach, war es aber nicht. Wer heute sagt, Netflix oder Amazon Prime sind zu teuer oder lohnen sich nicht, der hat die Zeit damals echt verpasst.

Für einen Film wurde zu Bestzeiten eine Leihgebühr von 5 Mark / Tag fällig.

Schicksal, Schusseligkeit und andere Miseren

Das Filme Ausleihen war gespickt von Tücken und Widrigkeiten. Spontanität und Öffnungszeiten passen in der Offline Welt einfach nicht zueinander. Wie viele Freitag Abende ist mir in den Sinn gekommen, einen Film noch auf den letzten Drücker auszuleihen. Also rauf auf´s Bike und rein in die Pedalen. Nach 20 Minuten Vollspeed und völlig verschwitzt komme ich also um 22:01 Uhr an der für mich bereits verschlossenen Videothek an. Außer in die Röhre gucken blieb der Fernseher aus. Für die ganz jungen Leser. Es gab früher auch noch kein durchgängiges Programm in den Abendstunden. Da gab es Standbild! Ende aus. Und dann kam irgendwann RTL. Das gab es nämlich noch nicht immer. Aber ich schweife ab.

Es gab durchaus auch Tage an denen ich die Öffnungszeiten nicht gerissen habe und pünktlich wie ein Maurer in der Videothek erschien um mir ein Stück Kinogeschichte auszuleihen. Aber wtf: Mein ausgewählter Film war bereits vergriffen. Ausgeliehen. Weg. Nicht da.

Der Terminator kommt

Da steht man dann an dieser Videowand und guckt ganz hektisch, ob vielleicht eines dieser Plättchen mit den Nummern zur Identifizierung, falsch zurück gehangen wurde. Fehlanzeige. Also auf zum Personal. „Tschuldiguuunng, kommt der Terminator heute vielleicht noch mal rein?“. Mit etwas Glück lautete die Antwort: „Ja, die 02834 soll heute wieder reinkommen, Sie können ja noch ein wenig warten“. Und manchmal, ganz manchmal, war Fortuna an meiner Seite und es kam tatsächlich jemand herein, der „meinen Film“ zurück gebracht hat.

Ein ständiges Abwegen also. Fahre ich spät zur Videothek muss ich nicht so lange warten, bis ein Film zurückkommt. Aber ich riskierte, dass ein früh zurückgebrachter Film bereits wieder in der Verleihe war.

An Tagen an denen einem das Glück zur Seite stand kramte die Bedienung der Videothek dann in einer Schatulle mit vielen kleinen Plättchen und zog die Nummer zum Cineastenglück hervor. „Hier, einen Terminator habe ich noch für Sie“.

Wenn Du jetzt glaubst, dass das Ausleihen schwierig war, dann kann ich Dir sagen, dass Zurückbringen ebenfalls ein eigenes Kapitel ist. Wir erinnern uns, Filme wurden nach Tagessatz abgerechnet.

Meine häufigsten Pannen:

  • Ich radelte gut gelaunt um 21:49 los… Ihr wisst schon. Tür zu.
  • Ich hatte Wichtigeres zu tun, mehrere Tage am Stück natürlich (Ausleihgebühr x mehrere Tage am Stück)
  • Ich hatte Wichtigeres zu tun, mehrere Tage am Stück natürlich. Und dann Vergessen, dass ich den Film zurückbringen MUSSTE. Videotheken konnten sich auch immer viel Zeit beim Erinnern lassen. Das Rechnung schreiben jedoch nie.
  • Worst Case, mir zum Glück nie passiert: Film verloren. Das war verdammt teuer. Denn Videotheken hatten keine Kauf- sonder Leihvideos mit entsprechenden Lizenzen. Von dem Geld kann man heute locker 2 Jahre Amazon Prime gucken.

War früher jetzt alles schlechter?

Natürlich nicht. Die Videothek war irgendwie auch ein toller Ort. Man traf Hinz, hin und wieder Kunz, und hatte auch sonst immer die Möglichkeit sozialer Interaktion. Ich habe es  in der Prä-Internetzeit einfach genossen, zwischen den Gängen und Regalen umherzuschlendern um eine VHS Kassette nach der anderen zu inspizieren um mich dann doch nicht für einen Film entscheiden zu können.

 

 

 

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